BGH: Anspruch auf Ausgleichszahlung auch bei Vorverlegung eines Fluges

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung vom 09. Juni 2015 mit der Frage beschäftigt, ob Reisenden auch in dem Fall ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung zukommen kann, wenn der Flug vorverlegt wird.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger buchte bei einem Luftverkehrsunternehmen Flüge nach Fuerteventura und zurück. Der Rückflug sollte ursprünglich am 05.11.2012 um 17.25 Uhr durchgeführt werden. Am 02.11.2012 wurde der Kläger darüber informiert, dass sein Flug bereits am 05.11.2012 um 08.30 Uhr starten solle. Daher vertrat der Kläger die Auffassung, dass diese Vorverlegung um 9 Stunden einer Annullierung gleich komme und verlangte die Zahlung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro. Zumindest aber müsse die Vorverlegung einer deutlichen Verspätung im Sinne der geltenden Rechtsprechung gleichgestellt werden.

In den Vorinstanzen blieb die Klage erfolglos. Die Gerichte vertraten hier die Auffassung, dass eine Vorverlegung keine Annullierung sei und die Vorschriften auch nicht entsprechend angewendet werden könnten.

Der BGH vertrat hier jedoch die Meinung, dass die jedenfalls nicht geringfügige Vorverlegung des Fluges mit einer Annullierung des ursprünglichen Fluges unter gleichzeitiger Anbietung eines alternativen Beförderungsmöglichkeit gleichzusetzen sei, so dass ein Ausgleichsanspruch in Betracht komme. Als Maßstab setzte das Gericht den Umstand, dass das Luftverkehrsunternehmen mit der Vorverlegung von seiner ursprünglichen Planung endgültig Abstand genommen habe. Dies sei durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gedeckt.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung hat das Luftverkehrsunternehmen den klägerischen Anspruch anerkannt, so dass der BGH ein entsprechendes Anerkenntnisurteil erlassen hat.

BGH, Anerkenntnisurteil vom 09.06.2015, X ZR 59/14

Quelle: Pressemitteilung des BGH

Haftung des Seitenbetreibers für fremde Links

Das Magazin Deutsche Anwaltsauskunft weist in einem Beitrag auf mögliche Haftungsrisiken bei der Anbringung von sogenannten Links auf Internetseiten hin. In einem Fall hatte ein Arzt unter einem Artikel auf seiner Homepage einen Link auf die Hauptseite eines Forschungsverbandes angebracht. Auf einer Unterseite dieses Verbandes befanden sich jedoch angeblich irreführende Informationen zum Anwendungsgebiet und zur Wirkung einer Behandlungsmethode. Daher wurde der Arzt auf Unterlassung verklagt, das Werben mit dieser Behandlungsmethode zu unterlassen.

In der ersten Instanz wurde der Klage stattgegeben, das OLG Köln – Aktenzeichen 6 U 49/13 – wies die Klage zurück. Nach der Auffassung der zweiten Instanz könne nicht festgestellt werden, dass der beklagte Arzt sich die Informationen der verlinkten Seite zu eigen gemacht habe. Zudem sei auch eine “böswillige” Absicht des Arztes nicht erkennbar, die Nutzer seiner Seite in die Irre führen zu wollen, da er lediglich auf die Hauptseite des Forschungsverbandes zur weiteren Information verwiesen habe. Zudem habe der Arzt den Link sofort entfernt, als er auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde.

Mithin ist es bei der Anbringung von Verlinkungen dringend geraten, Vorsicht walten zu lassen. Sobald sich jemand offensichtlich die fremden Inhalte, auf die verlinkt wird, zu eigen macht, dann besteht auch eine Haftung dafür. Dient der Link jedoch nur zur zusätzlichen Informationsbeschaffung, bestehet auch keine Haftung des Seitenbetreibers für einen fremden Link.

Quelle: Deutsche Anwaltsauskunft

BGH: Kostenlos mitreisendes Kind hat keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen

Die europäische Fluggastrechteverordnung spricht Reisenden, deren Flüge Verspätungen haben, unter bestimmten Voraussetzungen Ausgleichszahlungen der Luftfahrtunternehmen zu. In dem vorliegenden Fall hatte ein Flug von Palma de Mallorca nach Köln eine Verspätung von mehr als 6 Stunden. Nach Art. 7 Abs.1 S. 1 der Fluggastrechteverordnung besteht in diesem Fall ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250,00 Euro pro Reisendem.

Die – von ihren Eltern vertretene – Klägerin war zu dem Zeitpunkt des Fluges noch keine 2 Jahre alt. Das Luftfahrtuntermehmen hatte ein Angebot “100 % Kinderermäßigung bis 1 Jahr”, so dass die Klägerin umsonst mitreisen konnte. Unter Bezugnahme auf die Fluggastrechteverordnung klagte sie eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250,00 Euro aufgrund der Verspätung ein. Der Bundesgerichtshof hat die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen bestätigt.

Zwar spricht die Fluggastrechteverordnung unter bestimmten Voraussetzungen Ausgleichszahlungen zu, aber in Art. 3 Abs. 1 S.1 ist dort auch geregelt, dass sie nicht gilt für “Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist”. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Ausnahmeregelung sich nach dem Wortlaut nur auf reduzierte Tarife beziehe, die nicht für die Öffentlichkeit verfügbar seien, vorliegend aber jedes Kleinkind kostenlos befördert werde.

Der BGH vertritt wie die Vorinstanzen die Auffassung, dass weder Sinn und Zweck, noch die Entstehungsgeschichte noch der Wortlaut der Regelung ergebe, dass ausgenommen nur solche Sondertarife sein sollen, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stünden. Vielmehr seien dadurch sämtliche Fluggäste, die kostenlos reisen, vom Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung ausgenommen. Der BGH sah auch keine Veranlassung, sich diesbezüglich wegen einer Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union zu wenden.

Quelle: Pressemitteilung BGH

BGH, Urteil vom 17. März 2015 – X ZR 35/14

BGH: Schallschutz in erster Linie durch Bauteile im Gemeinschaftseigentum

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung vom 27. Februar 2015 mit der Frage beschäftigt, wer in einer Wohnungseigentumsanlage für Schallschutz verantwortlich gemacht werden kann.

Ein Wohnungseigentümer hatte in seiner Wohnung und somit in seinem Sondereigentum den bei Bau der Anlage dort installierten Teppich entfernt und durch Parkett einbauen lassen. Daraufhin beschwerte sich der Eigentümer der darunter gelegenen Wohnung, dass er nun erhöhte Lärmwerte hinnehmen müssen, da sich der Trittschall durch den neuen Boden erhöht habe. Er verklagte den Nachbarn auf Entfernung des Parketts und Verlegung von Teppichboden oder einem gleichwertigen Bodenbelag. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landgericht als Berufungsinstanz abgewiesen. In der Revision wies auch der BGH die Klage ab.

Nach der Auffassung des BGH sind für den Lärmschutz zunächst die zum Zeitpunkt des Baus geltenden Normen maßgeblich. Diese sind im vorliegenden Fall eingehalten. Ein Verstoß gegen eine gesetzliche Norm sahen die Richter bei der Entfernung des Teppichbodens nicht. Schallschutz sei, so der BGH, in erster Linie durch im Gemeinschaftseigentum stehende Bauteile zu gewährleisten. Die Auswahl des Bodenbelags der einzelnen Sondereigentumsbereiche obliegt alleine den jeweiligen Sondereigentümern. Etwas anderes könne sich nur aus der Gemeinschaftsordnung ergeben, was vorliegend jedoch nicht gegeben war.

Quelle: Pressemitteilung des BGH

BGH, Urteil vom 27.02.2015, V ZR 73/14

Bundesverfassungsgericht: Erbschaftssteuerrecht teilweise verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer lange erwarteten Entscheidung am 17. Dezember 2014 Teile des Erbschaftssteuerrechtes für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber erhält jedoch bis zum 30. Juni 2016 Gelegenheit nachzubessern. Bis dahin sind die Vorschriften weiter anwendbar.

Es betrifft hier die Vorschriften in § 13 a und § 13 b sowie § 19 Abs. 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes. In diesen Normen werden Steuerbefreiungen beim Vererben von Betriebsvermögen sowie Steuersätze geregelt. Nach der Auffassung des Verfassungsgerichts ist die Privilegierung betrieblichen Vermögens unverhältnismäßig, soweit es über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinaus reicht, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Damit bleibt dem Gesetzgeber aber weiterhin der Spielraum, gerade kleinere und mittlere Familienunternehmen bei der Erbschaftssteuer zu entlasten und somit die wirtschaftliche Existenz nicht zu gefährden.

Darüber hinaus unverhältnismäßig ist nach der Ansicht der höchsten deutschen Richter die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindeslohnsumme. Eine weitere Verfassungswidrigkeit ergibt sich daraus, dass die Normen dazu genutzt werden können, Gestaltungen zu wählen, die zu nicht rechtfertigten Ungleichbehandlungen führen.

In einem Sondervotum unterstützen drei Richter nicht nur die Entscheidung, sondern weisen auch auf das Sozialstaatsprinzip hin. Danach sei die Erbschaftssteuer ein Instrument um zu verhindern, dass sich Reichtum in Folge der Generationen in den Händen nur weniger sammelt. Nach Auffassung dieser drei Richter soll die Erbschaftssteuer nach dem Auftrag des Gesetzgebers einen Ausgleich sich ansonsten verfestigender Ungleichheiten darstellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016 den Auftrag erteilt, eine Neuregelung zu treffen. Ausdrücklich wurde festgestellt, dass die Fortgeltung der Normen bis dahein keinen Vertrauensschutz gegenüber einer bis zur Urteilsverkündung rückwirkenden Neuregelungen. Das bedeutet, dass sich die ab sofort ergebenden erbschaftststeuerlichen Bewertungen an der noch vom Gesetzgeber zu treffenden Neuregelung messen lassen müssen und daher evtl. nur vorläufig sein können.

Quelle: Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht

 

Neue Düsseldorfer Tabelle zum 01.01.2015

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Änderungen der sogenannten “Düsseldorfer Tabelle” bekannt gegeben, die ab dem 01.01.2015 geltend wird. Bei dieser Tabelle handelt es sich um Unterhaltsleitlinien, die von dem OLG Düsseldorf in enger Verbindung mit anderen Oberlandesgerichten und dem Deutschen Familiengerichtstag erstellt wird.

Danach ändern sich insbesondere die jeweiligen Selbstbehalte zum Jahreswechsel 2015. Der notwendige Selbstbehalt für erwerbstätige Unterhaltsverpflichtete wird um 80,00 Euro auf 1.080,00 Euro erhöht, wenn die Pflicht zur Unterhaltsleistung sich auf Kinder unter 21 Jahren bezieht, die im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der Schulausbildung befinden. Unterhaltsverpflichteten ohne Erwerbstätigkeit kommt demnächst ein Selbstbehalt in Höhe von 880,00 Euro zu.

Das OLG Düsseldorf hat damit die Erhöhung der Sätze des Arbeitslosengelds II zum 01.01.2015 berücksichtigt.

Auch die Selbstbehalte gegenüber Unterhaltsverpflichtungen hinsichtlich Ehegatten, dem betreuenden Elternteil eines nichtehelichen Kindes, volljährigen Kindern sowie den Eltern wurden erhöht. In Bezug auf den Elternunterhalt beispielsweise wurde der Selbstbehalt von 1.600,00 Euro auf 1.800,00 Euro hoch gesetzt.

Eine Erhöhung der Unterhaltszahlungen für Kinder hat jedoch nicht statt gefunden und soll erst im Laufe des Jahres 2015 erfolgen. Hintergrund ist hier, dass der steuerliche Kinderfreibetrag, welcher Grundlage für Unterhaltszahlungen bildet, vom Bundesfinanzministerium noch nicht erhöht worden ist.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf

BGH: Rechte des Mieter nach Wohnungsbrand

Dem Bundesgerichtshof war die Frage vorgelegt worden, welche Rechte einem Mieter zu kommen, der in seiner Mietwohnung leicht fahrlässig einen Brand verursacht und dessen Vermieter eine Wohngebäudeversicherung unterhält.

Klageweise hatten die Mieter gegen ihre Vermieterin einen Anspruch auf Mangelbeseitigung aufgrund eines Wohnungsbrandes geltend gemacht. Darüber hinaus verlangten sie die Feststellung, dass sie bis zur endgültigen Beseitigung berechtigt seien, die Miete zu mindern. Verursacht hatte den Brand die 12-jährige Tochter der Mieter in der Küche, da sie einen Topf mit Öl erhitzte und zeitweise unbeaufsichtigt ließ. Die Vermieterin, deren Wohnung durch den Wand erheblich beschädigt wurde, wurde von der Haftpflichtversicherung der Mieter an die eigene Gebäudeversicherung verwiesen. Die Vermieterin unterhielt eine solche Versicherung und legte die Kosten hierfür auf ihre Mieter um. Sie lehnte eine Einschaltung der Versicherung jedoch ab, da sie befürchtete, dann in der Versicherungsprämie zu steigen. Auch den Anspruch ihrer Mieter auf Schadensbeseitigung sowie Mietminderung lehnte die Vermieterin ab, da diese ja den Schaden zumindest leicht fahrlässig verursacht hätten und daher auch für die Beseitigung verantwortlich seien.

Das erstinstanzliche Amtsgericht gab den Klägerin wie auch das Berufungsgericht Recht, auch die Revision vor dem BGH erging nicht zugunsten der Vermieterin.

Nach der Auffassung des BGHs darf ein Mieter, der über seine Betriebskostenzahlungen auch die Gebäudeversicherung mit finanziert, erwarten, im Schadensfall auch von der Versicherung profitieren zu können. Ein Regress der Versicherung gegen den Mieter ist ausgeschlossen, wenn der Vermieter die Versicherung in Anspruch nimmt. Der Mieter sei so zu stellen, als sei er selber Versicherungsnehmer. Auch habe der Vermieter im Regelfall kein Interesse daran, den Mieter anstatt der Versicherung in Anspruch zu nehmen. Er sei vielmehr verpflichtet, sich an den Gebäudeversicherer zu wenden oder gegenüber dem Mieter auf Schadensersatz zu verzichten.

Es kann nach der Meinung des BGH der Mieter eine Schadensbeseitigung verlangen und bis dahin die Miete mindern. Aufgrund des Mietvertrags ist der Vermieter verpflichtet, eine Wohnung in vertragsgemäßen Zustand – also ohne Brandschäden – anzubieten. Dran ändert auch die Problematik einer etwaigen schuldhaften Verursachung des Brandes nichts, da der Mieter in jedem Fall verlangen kann, dass im seine Zahlungen für die Versicherung im Schadensfall zugute kommen.

Nicht entschieden hat der BGH die Frage, ob ein Vermieter ein Steigen in den Versicherungsprämien nach dem Schaden entgegenhalten kann, da hier die Vermieterin nach Auffassung der beschäftigten Gerichte zu wenig Konkretes vorgetragen hatte.

BGH, Urteil vom 19. November 2014, VIII ZR 191/13

Quelle: Pressemitteilung des BGH

OLG Hamm: Unvollständiges gemeinschaftliches Testament muss kein Einzeltestament sein

Das Oberlandesgericht Hamm hat sich in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, ob ein unvollständiges Ehegattentestament ein gültiges Einzeltestament sein muss.

In dem der Entscheidung zugrundeliegendem Sachverhalt hatte ein Ehemann ein gemeinschaftliches Testament auch für seine Ehefrau entworfen und unterzeichnet. Danach sollte nach dem Tod des einen Ehepartners der überlebende Partner Vorerbe und eines der vier Kinder nach dem Tod des zweiten Ehepartners Nacherbe sein. Die Ehefrau unterzeichnete den Entwurf nicht, so dass jedenfalls kein gültiges Ehegattentestament zustande gekommen war.

Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Ehefrau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Diesen erteilte das erstinstanzliche Nachlassgericht jedoch nicht. Nach der Auffassung des Amtsgerichtes sei der Entwurf dahingehend auszulegen, dass es zwar kein gültiges gemeinschaftliches Testament sei, aber ein wirksames Einzeltestament des Ehemannes, so dass keine gesetzliche Erbfolge eintrete.

Dieser Auffassung folgte das Oberlandesgericht nicht und hob die Entscheidung des Amtsgerichtes auf. Nach der Ansicht des OLG handelt es sich bei dem unterzeichneten Entwurf nicht um ein wirksames Einzeltestament des Ehemannes. Zwar genüge es der gesetzlichen Form eines Einzeltestaments (handschriftlich und unterzeichnet vom Erblasser), aber es fehle der Wille des Ehemannes, ein Einzeltestament zu errichten. Es könne nicht angenommen werden, dass der Ehemann auch ohne Unterschrift der Ehefrau dann ein Einzeltestament errichten habe wollen. Das ergebe sich daraus, dass es Ziel des Ehemannes gewesen sei, das Familienhaus der Eheleute, welches beiden Ehepartner gehörte, auf jeden Fall im Besitz der Familie zu erhalten. Zu diesem Zweck sollte der gesamte Nachlass, also inklusive Haus, zuerst an den überlebenden Ehepartner und dann an ein einzelnes Kind übergehen. Die Auslegung des Entwurfes als Einzeltestament würde dem Wunsch des Erblassers jedoch nicht gerecht, da hier nur über die Hälfte des Hauses verfügt werden könnte, so dass der Wunsch eben nicht erreicht würde. Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass auch die Ehefrau durch Unterzeichnung des Entwurfes die Absicht geteilt hätte, was jedoch unterblieben ist. Daher spreche dies gegen die Deutung des Entwurfes als Einzeltestament.

Im Ergebnis hat das OLG die Zurückweisung des Erbscheinsantrages aufgehoben mit dem Ergebnis, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, wonach der Ehemann von seiner Ehefrau und den vier Kindern beerbt wird.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm

OLG Hamm, 21.02.2014, 15 W 26/14

OLG Hamm: “Ein für alle Male abgefunden” kann Erbverzicht ausdrücken

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einer Entscheidung am 22.07.2014 entschieden, dass die Formulierung “ein für alle Male abgefunden” in einem notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag dahingehend ausgelegt werden kann, dass damit auch auf ein zukünftiges Erbe verzichtet wird.

In dem der Entscheidung zugrundeliegendem Sachverhalt hatte ein Ehepaar zwei Kinder. Nach dem Tod des Vaters wurde dieser von seiner Ehefrau und den beiden Kindern beerbt. Die Tochter veräußerte ihrem Bruder den Erbteil nach dem Vater im Rahmen einers auch mit der Mutter geschlossenen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrags. Es wurde die Klausel aufgenommen, wonach gegen die Zahlung eines vereinbarten Betrages die Tochter “vom elterlichen Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen ein für alle Male abgefunden“ sei.

Nach dem Tod der Mutter beantragte der Sohn einen Alleinerbschein in der Auffassung, seiner Schwester stehe aufgrund der vorgenannten Klausel nach dem Tod der Mutter kein Erbteil zu. Die Schwester hingegen war der Meinung, sie habe lediglich auf den Erbteil nach dem Vater verzichtet, nach der Mutter sei sie gesetzliche Miterbin geworden.

Das erstinstanzliche Nachlassgericht hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Diese Entscheidung hob das OLG auf.

Zur Überzeigung des OLG hat die Tochter in dem Erbauseinandersetzungsvertrag auch auf Erbansprüche nach der Mutter verzichtet. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Erklärung und es sei nicht nötig, dass explizit die Formulierung “Erbverzicht” aufgenommen werde. Ausreichend ist, dass der Verzichtswille hinreichend deutlich aus der Erklärung hevorgeht. Insbesondere aus der Formulierung “elterliches Vermögen” lasse sich nicht entnehmen, dass hiermit nur das väterliche Vermögen gemeint sein solle. Auch aus der weiteren Formulierung sei auch für einen juristischen Laien ersichtlich, dass diese Formulierung weitreichende Folgen auch für den Erbfall nach der Mutter haben werde.

Darüber hinaus enthalte der weitere Vertragstext Regelungen das Erbrecht des Sohnes nach der Mutter, woraus sich ergebe, dass er auch das Erbrecht der Tochte habe regeln sollen. Zudem sei den Vertragsparteien klar gewesen, dass die Zahlungen an die Tochter aufgrund der damaligen wirtschaftlichen Situation des Sohnes aus dem elterlichen Vermögen geleistet würden, so dass sie erheblich besser gestellt wurde, als ihr eigentlich aus dem 1/4 Erbanteil nach dem Vater zugestanden hätte.

Somit ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für ein bestehendes Erbrecht der Tochter nach der Mutter.

Quelle: Pressemitteilung OLG Hamm

OLG Hamm, Beschluss vom 22.07.2014, 15 W 92/14

Bundesverfassungsgericht hebt Urteil wegen Verstoßes gegen Willkürverbot auf

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 28. Juli 2014 ein Urteil des Amtsgerichtes Euskirchen aufgehoben, weil es u.a. gegen das Willkürverbot verstoßen habe. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Aufgrund einer Streitigkeit besprühte die spätere Beklagte und Beschwerdeführerin vor dem Bundesverfassungsgericht ein Garagendachverblendungsstück mit schwarzer Farbe. Die Garagen gehören ebenfalls zu der Wohnungseigentumsanlage und das Verblendungsstück befand sich zwischen der Garage der Beklagten und der späteren Klägerin.

Vor dem AG Euskirchen verklagte daraufhin die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 464,10 Euro. Die Beklagte bestritt die Befugnis der Klägerin zur Klage (Aktivlegitmation), da Außenwände und das Dach ihrer Auffassung nach Gemeinschaftseigentum sei und daher nur die Wohnungseigentumsgemeinschaft Schadensersatzansprüche geltend machen könne. Außerdem sei nicht eine allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichtes zuständig, sondern eine Abteilung für Wohnungseigentumssachen.

Das AG gab der Klage mit Urteil vom 19. März 2013 statt. In Bezug auf die Aktivlegitimation der Klägerin führte das AG aus, das Garagendachverblendungsstück stehe im Sondereigentum der Klägerin. Erst nach der mündlichen Verhandlung – aber vor Urteilsfällung – war dem AG bekannt geworden, dass tragende Teile einer Garage der Wohnungseigentumsanlage zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehörten. Aufgrund der bereits erfolgten mündlichen Verhandlung sei – obwohl von der Beklagten wiederholt gerügt – zudem eine Abgabe an eine WEG-Abteilung nicht mehr möglich.

Dieser Auffassung folgte das Bundesverfassungsgericht nicht, vielmehr stellte es u.a. einen Verstoß gegen das Willkürverbot fest. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt vor, wenn die Rechtsanwendung oder das Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung auf schweren Rechtsanwendungsfehlern wie der Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder der krassen Missdeutung einer Norm beruht. Bei seiner Entscheidung hat das AG die Norm des § 5 Abs. 2 WEG außer Acht gelassen.

§ 5 WEG Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums

(2) Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, sind nicht Gegenstand des Sondereigentums, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden.

Diese Norm umfasst auch tragende Teile einer ansonsten im Sondereigentum stehenden Garage.

Das Bundesverfassungsgericht konnte insbesondere die Begründung des AGs nicht nachvollziehen, wonach es die Zuständigkeit einer Spezialabteilung erst nach der mündlichen Verhandlung erkannte und zudem die vorgenannte Norm unbekannt gewesen sei.

Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil des AG Euskirchen auf und verwies an die zuständige Abteilung dort zurück.

Urteil des AG Euskirchen vom 13. März 2013, 17 C 160/12

Quelle: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 28.07.2014, 1 BvR 1925/13